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Unternehmen
machen Gewinne damit, Lösungen für Probleme zu verkaufen.
Wobei das natürlich umso schwieriger ist oder wird, je weniger
Probleme die Menschen haben. In einer Konsum- und Überflussgesellschaft,
in der für nahezu sämtliche faktischen Alltagsprobleme
bereits mehrere Lösungen existieren, werden deshalb „Probleme”
creiert, die keine sind, um die dazugehörigen „Lösungen”
zu verkaufen, die ansonsten niemand bräuchte.
Ein System,
das - rein wirtschaftlich betrachtet - nahezu an Genialität
grenzt: so wurde zunächst etwa erklärt, welche immensen
„Probleme” sich dadurch beheben lassen, indem sich
die Menschen einen Fernseher zulegen, einen Heimcomputer und eine
Spielkonsole, um dann die steigende Isolation und Kontaktarmut
zum nächsten Problem zu erklären, das neue Lösungen
erfordere: das „Informations- und Kommunikationszeitalter”
mit seinen Folge-Problemen und -„Problemen”.
Auf recht
ähnliche Weise hat man irgendwann die „Freizeit”
problematisiert und mit dem Verkauf jeder Menge „Lösungen”
für eine entsprechende „Freizeitgestaltung” begonnen:
die Geburt der „Freizeit-Industrie” - mit der Folge,
dass die Menschen seit dem auch ihre „freie Zeit”
strategisch verplanen, bis nichts mehr davon übrig ist, und
jeder Einkauf, jedes ungeplante Ereignis zu Stress und Hetze führt,
wofür prompt wieder passende Lösungen erhältlich
sind („Zeitmanagement”, „Wellness”, Kindertagesstätten,
etc), um die dadurch „neu gewonnene freie Zeit” gleich
wieder verplanen und dem „Problem” der Langeweile
entgehen zu können, und das Ganze wieder von vorn.
Apropos „Wellness”:
hier wurde einigermaßen trickreich der früher noch
eher dröge Bereich der schon vom Begriff her dröge klingenden
„Gesundheitsvorsorge” mit einem nagelneuen, deutlich
attraktiveren Etikett versehen. Das „Wohlfühlen”
als quasi neu entdeckte Lebensqualität, als Lösungsangebot,
um von den zahlreichen Alltagsproblemen zumindest ein paar Minuten
gedanklich frei zu sein - und „ganz nebenbei” außerdem
noch etwas für seine Gesundheit zu tun, also dem Problem
einer möglichen Erkrankung vorzubeugen.
Hinter
all dem unter der Oberfläche verborgen lauert die Idee, dass
tatsächliche oder eben auch scheinbare, künstliche Probleme
einer technischen, methodischen und damit käuflichen Lösung
bedürfen ...was „natürlich” zwangsläufig
der Fall sein muss in einem (wirtschaftlichen) System, das mit
dem Konsum steht und fällt - was jedoch für die Masse
der Menschen offenbar weniger als zwangsläufige Folge erkannt
wird, sondern sich eher bereitwillig daran beteiligt, und viel
mehr darüber frustriert ist, dass das Einkommen nicht ausreicht,
um alles das kaufen zu können, was in diesem Wust angeboten
wird. Ein „Problem”, für das wiederum Kleinkredite,
Ratenkauf und Rabattaktionen aller Art als passende „Lösungen”
creiert wurden.
Wobei
gerade die Gesundheit exemplarisch dafür steht, dass sich
mit Problemen vielleicht gute Geschäfte machen lassen, mit
der Angst der Menschen jedoch noch viel bessere:
Angst
vor Krankheit, Tod und Elend, vor Arbeitslosigkeit und Armut,
Angst vor Kriminalität und Terrorismus, vor Naturkatastrophen
und „Klimawandel” und Krisen aller Art, Angst davor,
nicht schön genug zu sein, nicht schlau genug zu sein, nicht
„up-to-date” zu sein, nicht „in” zu sein,
die falsche Frisur zu haben, die falschen Klamotten zu tragen,
den falschen Beruf zu haben, das falsche Auto zu fahren, Angst
um die Partnerschaft, um die Firma, um den Arbeitsplatz, etc,
etc, etc.
Jede Menge Ängste, die sich zu einer generellen „Zukunftsangst”
summieren, von der sich angeblich über 80% der Menschen betroffen
fühlen.
Wer nun meint,
dass das ein ziemlich tragischer Zustand sei, an dem sich etwas
ändern sollte und müsse, hat noch nicht tief genug unter
die Oberfläche gesehen. Denn im Gegenteil: diese Masse von
tatsächlichen oder scheinbaren Problemen und Ängsten,
diese generelle Zukunftsangst, ist keineswegs negativ, sondern
„gut so”.
Denn:
nicht nur Unternehmen leben davon, sondern „die Wirtschaft”
insgesamt steht und fällt mit dem Konsum. Es spielt dabei
keine Rolle, ob es um den Konsum von hilfreichen Medikamenten
für ein faktisches Gesundheitsproblem geht, oder um den Konsum
eines schnöden 08/15-Joghurts, der angeblich einen „Blähbauch”
verhindert, der in einer Werbeagentur erfunden wurde. Es spielt
keine Rolle, ob ein Produkt den Menschen hilft oder zur Massenverdummung
beiträgt. Sondern es geht ausschließlich darum, dass
konsumiert wird, was und warum auch immer.
Was
damit eben auch die Volkswirtschaft, Konjunktur, Arbeitslosigkeit,
Steuern, Abgaben, etc, etc, also „den Staat” als solchen
betrifft: auch der Staat profitiert auf mehrfache Weise ganz erheblich
von den Problemen und Ängsten der Menschen, je mehr davon,
„umso besser für uns alle”, weil das „die
Konjunktur belebt”, weil es „Arbeitsplätze erhält”
und/oder „neue schafft”, weil es „den Standort
Deutschland sichert”, etc, etc. Auch das gehört zur...
„sozialen(!) Marktwirtschaft”.
Und es gehört
ebenso dazu, wenn von staatswegen eine Angst vor Terrorismus geschürt
wird, obwohl jedes Jahr mehr Menschen dadurch ums Leben kommen,
weil sie unglücklich von der Leiter fallen, als durch Terroranschläge;
ganz einfach weil es seit den 1980er Jahren in Deutschland keine
mehr gegeben hat, die man als solche bezeichnen könnte.
Die Angst vor dem Terror wird dennoch von oberster Stelle geschürt,
um (u.v.a.) Datenschutz und Bankgeheimnis aufzuweichen, um „biometrische”
Reisepässe problemlos durchzusetzen, etc, etc - was ohne
diese Angst vor dem Terror womöglich zu erheblichen Protesten
führen würde ...und das alles auch noch vom Bürger
selbst über Gebühren und Steuern finanzieren zu lassen.
Und es gehört
gleichfalls dazu, wenn von staatswegen das Angstszenario einer
„Überalterung der Gesellschaft” aufgebaut und
die Angst vor einem „Klimawandel” geschürt wird,
die Angst vor Epidemien und vor einem „Bildungsnotstand”,
vor Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise, etc, etc, etc:
Der Staat, von dem man meinen sollte, dass er seine Bürger
schützt, und auch ansonsten für seine Bürger nur
das Beste im Sinn haben würde, sorgt direkt und indirekt
für das glatte Gegenteil. Und das offenbar äußerst
erfolgreich:
Angeblich
haben ca. 60% der Deutschen Angst, zum Opfer einer Naturkatastrophe
zu werden, 50% haben Angst vor Terrorismus, fast 50% haben Angst
vor einem Jobverlust und ebenso viele haben Angst vor einer schlechten
Wirtschaftslage. Nur zum Beispiel.
( Diese Prozentzahlen stammen übrigens aus einer Studie,
die im Jahr 2010 von einer Versicherung(!) in Auftrag gegeben
wurde, um die „Rangliste der Ängste der Menschen”
zu ermitteln - bezeichnenderweise, denn es interessiert natürlich
enorm, was die lukrativsten Ängste sind, für die sich
eine passende Versicherung verkaufen lässt, mitsamt Versicherungssteuer
für den Staat, übrigens. )
In der Gesellschaft geht die Angst um - und zwar bei Kindern angefangen:
ca. 30% aller Schulkinder haben Versagensangst und Angst vor schlechten
Noten. Sodass etwa 6% der 12-jährigen von ihren Eltern genötigt
werden, Aufputschmittel zur Steigerung der schulischen Leistungen
zu schlucken, und sich bereits 4-jährige(!) Kinder in psychotherapeutischer
Behandlung befinden, weil sie mit diesem Druck seitens Eltern
und Schule nicht mehr zurechtkommen.
Fragt
man Otto Normalbürger danach, was er davon hält, findet
er das auch noch völlig in Ordnung. Weil man ihm permanent
unter die Nase reibt, wie wichtig es sei, dass die Wirtschaft
brummt, weil das Arbeitsplätze sichert oder schafft, und
es schließlich um unser aller Wohlstand geht. Weil man Otto
Normalbürger äußerst erfolgreich beigebracht hat,
was darunter zu verstehen ist, und ebenso erfolgreich davon abhält,
ein paar Blicke unter diese Oberfläche zu werfen.


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